Eigenbedarf des Vermieters
Wenn der Vermieter eine vermietete Wohnung oder Haus für eigene Zwecke benötigt, dann hat er grundsätzlich das Recht, einem Mieter den Vertrag zu kündigen und sein Eigentum selbst zu nutzen, und selbstverständlich ist das grundsätzlich auch richtig so.
Problematisch wird es, wenn vor einem behaupteten Eigenbedarf Streitigkeiten zwischen Mieter und Vermieter auftreten. Die Justiz hat hier die Aufgabe, genau hinzuschauen.
Die Darstellung unserer Erlebnisse soll anderen Betroffenen helfen, die Risiken eines Rechtsstreits besser abzuschätzen. Sich auf einen Rechtsanwalt zu verlassen, das hat zumindest in unserem Fall nicht ausgereicht: Schlechter hätte es ohne Anwalt auch nicht ausgehen können, besser schon.
Vorgeschichte
Wir sind am 1.10.2021 nach 15 Jahren aus England nach Hillesheim gezogen, dem Brexit sei es gedankt.
Vermieter war der Sohn der ehemaligen Eigentümerin, die zusammen mit ihrem schwer pflegebedürftigen Mann das Haus an ihren Sohn übertragen hatte, sich aber den Nießbrauch vorbehielt.
Uns wurde erzählt, dass die Mutter und ihr Ehemann bis vor ca. anderthalb Jahren in dem Haus gewohnt haben. Der Stiefvater sei dann aber so schwer erkrankt, dass auch die extra für ihn eingebauten Treppenlifte nicht mehr genug waren.
Der Mann kam in ein Pflegeheim, seine Frau zog aus und in eine Wohnung im ersten Stock des Hauses nebenan. Das Haus sei viel zu groß für sie. Das hat sie uns erzählt, und das hat sie Nachbarn erzählt. Bei einer Wohnfläche von 120 qm über drei Etagen plus knapp 60qm Nutzfläche (u.a. eine großzügige Doppelgarage) kann man das nachvollziehen.
Nach ihrem Auszug zog eine zweiköpfige Familie ein, die aber schon nach ca. einem Jahr wieder auszog, weil die Leute ein eigenes Haus gekauft hatten. Während der Besichtigung tat der Vermieter seinen Unmut hierüber kund, weil er sich ein langfristiges Mietverhältnis erhofft hatte. Wir konnten ihn diesbezüglich beruhigen, denn wir suchten selber etwas Langfristiges.
Da wir in England lebten und COVID herrschte, fand eine erste Besichtigung so statt, dass ein Verwandter meiner Partnerin mit dem Handy durch das Haus ging und das Ganze — in Anwesenheit des Vermieters — nach England übertrug. Wir konnten dann Fragen stellen.
Das Haus gefiel uns sehr, also vereinbarten wir einen “richtigen” Besichtigungstermin mit dem Ziel, dann gleich den Mietvertrag zu unterschreiben.
So geschah es, wir reisten aus England mit dem Auto an und unterzeichneten einen Mietvertrag mit dem 1.10.2020 als Mietbeginn.
Beginn der Leidensgeschichte
Es stellte sich dann leider ab dem Einzug heraus, dass viele der Dinge, die uns während der Besichtigung des Hauses gesagt wurden, nicht stimmten. Wir gingen zunächst davon aus, dass es sich nicht um bösen Willen, sondern um Schusseligkeit, mangelnde Sorgfalt oder/und fehlende Erfahrung handelt, aber mit der Zeit kam einfach zu viel zusammen. Zudem stellte sich später heraus, dass die Leute seit Jahren diverse Objekte vermieten, also erfahrene Vermieter sind.
Mit jedem neuen Problem wurde der Vermieter unwilliger. Wir würden uns ja wegen jeder Kleinigkeit an ihn wenden. Ja, so ist die Rechtslage in Deutschland, wenn was nicht funktioniert, dann wendet man sich an den Vermieter, und der sorgt dafür, dass es gerichtet wird.
Die Eigenbeteiligung ändert daran ja nichts, abgesehen davon, dass ich erwarten darf, dass bei Einzug alles funktioniert. Er ergab sich murrend.
In einer Email schrieb er, dass man uns bei allen Dingen entgegengekommen sei. Ich würde formulieren: der Vermieter hat, wenn auch zunehmend unwilliger, seine Pflichten erfüllt.
Ich will hier nicht auf die gesamte Problemliste eingehen, sondern nur die Höhepunkte erwähnen:
- Es wurde vereinbart, dass die beiden Treppenlifte noch vor dem Einzug vom Vermieter ausgebaut und in der Garage gelagert werden.
Am Umzugstag durften sich die Umzugsleute dann sehr darüber freuen, dass die beiden Treppenlifte im Weg waren. Der Vermieter behauptete, sich nicht an eine solche Vereinbarung erinnern zu können. Er hat mir den Ausbau vor Einzug aber in einer Email ausdrücklich bestätigt. - Die Fußbodenheizung funktionierte nicht
- Zwei Schalter für die elektrischen Rollläden funktionierten nicht
- Das Waschbecken im Bad leckte
- Der Schlauch der Dusche war defekt
- Der Filter der Dunstabzugshaube war in einem unglaublichen Zustand (weswegen wir diese nicht benutzten)
- Der Abfluss in der Küche war defekt
- Bei der Reparatur dieses Abflusses ging die Ummantelung des ausziehbaren Wasserhahns kaputt
- Die Nachtabschaltung der Heizung funktionierte nicht
- Die Klingelanlage funktionierte nur gelegentlich
- Die Tür zur Garage ließ sich plötzlich nicht mehr abschließen
- Wir hatten einen erheblichen Wasserschaden im Bad
- Die Mikrowelle funktionierte nicht
Küche
Bei der Besichtigung wurde die Küche mit den wärmsten Worten beschrieben: nur das Beste vom Besten. Stimmte auch, keine Frage, die Küche war mit hochwertigen Geräten ausgestattet.
Allerdings wurde vor Einzug nicht erwähnt, dass die gepflegte Küche 15 Jahre alt war. Bei 15 Jahren braucht man sich natürlich nicht zu wundern, wenn mal was kaputt geht.
Als wir die Mikrowelle in Betrieb nehmen wollten, mussten wir feststellen, dass sie nicht funktionierte: wenn man sie anschaltete, ging das Licht an, der Teller begann sich zu drehen, das typische Geräusch war zu hören – nur warm wurde nichts.
Ein ehemaliger Kollege des Stiefvaters, ein mittlerweile verrenteter Elektriker, schaute sich das Ganze im Auftrag des Vermieters an, konnte nichts ausrichten, meinte aber, dass bei den heutigen Preisen für gute Mikrowellen eine Reparatur sich nicht lohnen würde.
Der Vermieter bestand darauf, dass das unser Problem sei. Ich wies darauf hin, dass ich ein Haus mit Küche gemietet hatte, und dass es seine Aufgabe als Vermieter sei, das Problem zu beseitigen.
Sehr unwillig schlug der Vermieter dann vor, das defekte Gerät gegen ein Standgerät auszutauschen.
Stattdessen verlangte ich den Austausch der Einbaumikrowelle. Ein Standgerät hätte entsprechend Platz auf der (knappen) Arbeitsplatte belegt; damit war ich nicht einverstanden. Nach längerer Diskussion gab er nach, wir bekamen eine neue Einbaumikrowelle.
Es war aber klar, dass er dies als Entgegenkommen seinerseits gewertet wissen wollte.
Dann begann der Spannungsschutzschalter der ersten Etage auszusteigen, wenn man bestimmte Programme des Backofens startete und 3-4 Minuten wartete.
Der Elektriker erschien und fand heraus, dass andere Programme, die wir zuvor noch problemlos verwendet hatten, jetzt ebenfalls den Spannungsschutzschalter auslösten, mit anderen Worten, es wurde immer schlimmer.
Ein neuer Ofen musste her, und nun eskalierte der Streit.
Eskalation
Den Austausch des Backofens lehnte der Vermieter ab. Daraufhin bat ich ihn, sich rechtlich beraten zu lassen. Dafür schlug ich den Haus- und Grundbesitzerverein vor, der ja nun nicht für besondere Mieterfreundlichkeit bekannt ist. Das bekam er komplett in den falschen Hals und schrieb mir am 21.3.2021 diese Email:
Herr Jäger, meine Mutter und ich sind ihnen in den letzten Monaten in allen (häufig nicht erwähnenswerten kleinen) Angelegenheiten stets schnell und zuverlässig entgegen gekommen. Um so mehr bin ich jetzt enttäuscht, dass sie mir empfehlen, ich sollte mich rechtlich beraten lassen
Ich wertete dies natürlich als simple Erfüllung seiner Verpflichtungen als Vermieter.
Es mag sein, dass aus der Formulierung des Mietvertrags juristisch korrekt ableitbar ist, dass sie einen Anspruch auf Ersatz des Backofens haben. Eine solche Formulierung wäre dann aber nicht im Sinne meiner Mutter oder mir.
In einem Mietvertrag kann man nicht alle Belange eines Mietverhältnisses regeln, dafür ist der Alltag zu komplex. Könnte man alles exakt regeln, gäbe es keine Fachanwälte, Mieterschutzbünde etc.
An den Stellen, an denen es dann knirscht, hilft der gemeinsame Wille ein langfristig gutes Mietverhältnis anzustreben. Ich zitiere in diesem Zusammenhang ihre Worte: “Vertrag kommt von vertragen”.
Aus ihrem Rat, ich sollte mich rechtlich beraten lassen, schließe ich aber, dass sie daran kein Interesse haben.
Aus diesem Grund muss ich, obwohl sich der psychische und körperliche Zustand meiner 80-jährigen Mutter in den letzten Wochen stark verschlechtert hat, mit ihr als Nutznießerin des Hauses das Thema durchsprechen.
Vor dem Hintergrund der Schärfe, die sie mit ihrem Rat auf rechtliche Beratung eingebracht haben und der Tatsache, dass meine Mutter nicht mehr belastbar ist, muss ich mit ihr eine grundsätzliche, längerfristig verträgliche Lösung für das weitere Vorgehen abstimmen.
Ich werde sie danach zeitnah über die Entscheidung informieren.
Ich antwortete noch am gleichen Tag:
Ich wollte keine Schärfe in die Diskussion bringen. Ich wollte, dass Sie sich kostengünstig von unabhängiger Seite beraten lassen, was es bedeutet, wenn man eine Küche vermietet. Das sind deutschlandweite Standards, und auf deren Einhaltung habe ich mich verlassen.
Es scheint, dass Sie von diesen Standards nichts wissen, und ich verstehe nicht, dass Sie keine Bereitschaft zeigen, sich kundig zu machen. Nur darum ging es mir bei der Empfehlung, sich rechtlich beraten zu lassen.
[…]
Wenn in einer vermieteten Küche etwas kaputt geht, dann ist die Beseitigung des Schadens durch Reparatur oder Austausch Sache des Vermieters. Das ist seit Jahrzehnten so, es ist der Normalfall! Wenn Ihnen das nicht klar war, und Sie was anderes gewollt haben: woher hätte ich das wissen sollen? Es steht ja nicht nur nicht im Mietvertrag, Sie haben das ja auch nicht gesagt!
Nochmal, ich verließ und verlasse mich darauf, dass Sie übliche Standards einhalten, nicht mehr und nicht weniger.
Es ist natürlich unglücklich, dass so viele Dinge in so kurzer Zeit kaputt gegangen sind, aber wir gehen mit den Dingen pfleglich um, es liegt nicht an uns.
Ich versuchte es meinerseits nochmal in einer Email vom 3.4.2021:
Ich möchte es noch einmal versuchen:
Wenn Sie im Internet mit den Stichworten “küche vermietet schaden” googeln, dann wissen Sie nach 5 Minuten, dass in der Regel der Vermieter für die Beseitigung von Schäden und den Austausch defekter Geräte verantwortlich ist.
“In der Regel” definiert sich als “wenn nichts anderes vereinbart wurde”.
Es mag ja sein, dass es nicht die Intention von Ihnen und Ihrer Mutter gewesen ist, in eine solche Konstellation einzutreten, aber das haben Sie weder mündlich vor Einzug noch im Mietvertrag zum Ausdruck gebracht.
Das ist dann aber nicht mein Fehler.
Das nächste, was ich von dem Vermieter hörte, war die fristgemäße Kündigung zum 31.7. wegen Eigenbedarfs, wohlgemerkt durch einen Rechtsanwalt; erstaunlich für jemanden, der auf den Rat, sich doch bitte rechtlich beraten zu lassen, geradezu allergisch reagierte.
Dabei ist bemerkenswert, dass der Vermieter die Vollmacht für den Rechtsanwalt bereits am 28.3.2021 unterzeichnete, also gerade mal 7 Tage nach der Email vom 21.3.
Das Attest des Augenarztes (siehe weiter unten) wurde sogar bereits am 26.3.2021 ausgestellt.
Begründung des Eigenbedarfs
Der Eigenbedarf wurde zweifach begründet:
1. Besuche des Ehemannes
Diese seien in ihrer jetzigen Wohnung nicht möglich. Ich wüsste nicht, warum dies nicht möglich gewesen sein sollte: man kann eine Bahre hochtragen, das Treppenhaus ist breit genug.
In dem Haus dagegen ist das Treppenhaus so eng und zudem gewunden, dass der Mann nicht mit einer Bahre hochgetragen werden könnte. Die Treppenlifte reichen ja nicht mehr, wie die Mutter des Vermieters sowohl uns als auch Nachbarn erzählte: der Mann konnte nicht einmal mehr sitzen.
Übrigens hat ihr Mann sie seit langer Zeit nicht mehr besucht, mindestens seit anderthalb Jahren.
2. Drohende Erblindung und Orientierungslosigkeit
Der Kündigung ist ein Attest beigefügt, indem dieses steht (wörtlich übernommen):
Frau … leidet unter einer Fortschreitenden Augenerkrankung mit drohendem Sehverlust und Orientierungsproblemen.
Eine periodische klinisch Therapiemaßnahme im Rhythmus von vier Wochen ist angezeigt. Hierdurch ist lediglich eine Verzögerung der Erkrankung möglich.
Das Attest genügt auch einfachen Ansprüchen nicht:
- Es benennt die Krankheit nicht
- Es beschreibt nicht den Zustand zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Mietvertrags. Das ist aber notwendig, um auszuschließen, dass der Vermieter uns bereits damals von einem möglichen Eigenbedarf hätte informieren müssen.
- Es beschreibt nicht den aktuellen Zustand. Ist der Zustand bereits so schlecht, dass dies als Grund für den Eigenbedarf ausreicht, dann hätte die Frau ab sofort daran gehindert werden müssen, Auto zu fahren. Das tat und tut sie nämlich, und zwar regelmäßig auch längere Strecken.
- Es nimmt nicht Stellung zu der Frage, in welchem Zeitraum mit einer Verschlechterung zu rechnen ist: innerhalb einer Woche? Eines Monats? Halbes Jahr? Jahre? Irgendwann?
Wenn ihr Zustand aber noch das Fahren eines Autos erlaubt, dann reicht das als Grund wiederum nicht aus, es sei denn, es ist mit einer dramatischen Verschlechterung in den nächsten maximal sechs Monaten zu rechnen, denn weiter in die Zukunft darf man den Grund für einen Eigenbedarf nicht verschieben, sonst wird es zu einer unzulässigen sogenannten Vorratskündigung.
Zusammenfassung
In der Email vom 21.3.2021 schwadronierte der Vermieter noch von einem langfristigen Mietverhältnis.
Nur eine Woche später befand die Mutter des Vermieters, dass ihr Ehemann sie plötzlich wieder unbedingt besuchen müsse (obwohl der Mann weder transportfähig war noch sprechen konnte und sie seit mehreren Jahren nicht mehr besucht hatte), und dass in dieser kurzen Zeitspanne plötzlich Erblindung und Orientierungslosigkeit in den nächsten sechs Monaten drohten, und sie deswegen wieder das Haus benötigte.
Zu diesem Zeitpunkt wohnten wir erst seit acht Monaten in dem Haus, welches zudem davor von August bis zum 1. Oktober unbewohnt war.
In diesem Zusammenhang ist auch die Email des Vermieters vom 3.8.2020 interessant; dort schrieb die Ehefrau des Vermieters:
“Meine Schwiegermutter ist im Haus nicht erwünscht , aus verschiedenen Gründen, daher bitte nur über uns.”
Auszug
Da das Verhältnis mit dem Vermieter nachhaltig zerrüttet war, begannen wir, intensiv nach einem neuen Haus bzw. einer neuen Wohnung zu suchen. Wohlgemerkt: wir hatten ganze acht Monate zuvor einen internationalen Umzug abgewickelt inmitten einer Pandemie, im zarten Alter von 60 bzw. 67 Jahren.
Die Aussicht, erneut umziehen zu müssen, zusammen mit dem Stress, bedeutete für uns eine erhebliche Belastung.
Zudem mussten wir schnell feststellen, dass der Wohnungsmarkt selbst in der Eifel leergefegt war. Es gab kaum Angebote, geschweige denn attraktive Angebote. Den Kündigungstermin 31.7.2021 hätten wir nicht einhalten können, selbst wenn wir das gewollt hätten.
Wir wollten aber auch gar nicht: es kann ja nicht richtig sein, dass ein Vermieter mit solchen Mitteln durchkommt. Unser Anwalt bestärkte uns. Also ließen wir es auf eine Räumungsklage ankommen, halb freiwillig und halb gezwungenermaßen. Schließlich hat Deutschland einen im internationalen Vergleich geradezu vorbildlichen Mieterschutz.
Allerdings änderten wir unsere Meinung im September 2021: der Energieversorger rechnete zum ersten Mal richtige Zahlen ab. Das Haus, welches als gut isoliert bezeichnet worden war, entsprach nicht ganz unseren Erwartungen: neben einer Nachzahlung von rund 1.000 EUR sollten wir jetzt monatlich 222 EUR Vorauszahlungen allein für Gas leisten. Das war wohlgemerkt bevor der Ukrainekrieg von Russland vom Zaun gebrochen wurde, also zu ganz normalen Preisen.
Da wir durchaus versucht hatten, sparsam zu heizen, beschlossen wir, doch lieber umzuziehen, trotz des Stresses und der Kosten.
Es dauerte, aber durch eine glückliche Fügung fanden wir letztlich ganz in der Nähe eine schöne Wohnung in ausgezeichneter Lage, und so zogen wir im Februar 2022 um.
Das Amtsgericht hatte für den 25.01.2022 einen Ortstermin anberaumt, um sich von der Eignung des Hauses ein Bild machen zu können.
Als der Amtsrichter die Räumlichkeiten betrat und die vielen Umzugskartons und die leeren Regale sah, sagte er “Ah, die Hauptsache erledigt sich gerade, wie sieht es mit einem Vergleich aus?”
Aus seiner Sicht war die “Hauptsache” die Räumung des Hauses, der wir offensichtlich, wenn auch verspätet, nachkommen wollten. Ein Vergleich hätte üblicherweise bedeutet, dass jede Seite ihre Rechtsanwaltskosten trägt und die Gerichtskosten aufgeteilt werden.
Dem widersprachen wir entschieden, waren wir doch der Meinung, dass es bei der Vorgeschichte geradezu offensichtlich ist, dass ein Vermieter hier die Möglichkeit des Eigenbedarfs nutzt, um einen unliebsamen Mieter loszuwerden.
Einzug
Direkt nach unserem Auszug zog die Mutter des Vermieters wieder in das Haus ein.
Am 13.06.2022 fällte das Amtsgericht dann sein Urteil. In Kurzform: trotz aller Zweifel ist die Tatsache, dass sie wieder in das Haus eingezogen ist, ein starkes Indiz dafür, dass ein Eigenbedarf tatsächlich vorlag. Schließlich würde sich eine Achtzigjährige nicht den Mühen eines Umzugs unterziehen, wenn sie das Haus nicht wirklich benötigte.
Daher haben wir jetzt die gesamten Kosten am Hals: gute 6.000 EUR alleine für Rechtsanwalts- und Gerichtskosten.
Dabei ignorierte der Amtsrichter, dass sie nur vom Haus nebenan umziehen musste, und dass einige Wochen zuvor ein Umzugsunternehmen bereits etliche größere Sachen aus ihrer Wohnung geholt hatte, mit unbekanntem Ziel.
Übrigens verbringt sie die Hälfte der Woche grundsätzlich (lies: fast immer) im Haus eines “Freundes” in Euskirchen, wohin sie immer mit dem Auto fährt. Und das tut sie seit vielen Jahren…
Der Amtsrichter hob in seinem Urteil auch nochmal besonders auf die Treppenlifte ab, die das Haus für einen Menschen in seinen Achtzigern besonders geeignet machen. Nur: sie benutzt zumindest den unteren Treppenlift gar nicht (den oberen kann man von außen nicht sehen); der müsste ja unten stehen, wenn sie aushäusig ist, was nie der Fall ist.
Fazit
Das Mittel des Eigenbedarfs ist ein scharfes Schwert, das leicht missbraucht werden kann.
Meine Empfehlung ist, das Recht auf Eigenbedarf im Mietvertrag ausdrücklich auszuschließen, oder zumindest andere Anpassungen vorzunehmen, wie z.B. für den Fall des Eigenbedarfs eine abweichende (längere) Kündigungsfrist zu vereinbaren.
Wenn man sich in einer ähnlichen Situation befindet wie wir, dann muss man sich sehr genau überlegen, ob man auszieht. Wenn der Vermieter — oder wer auch immer in den Genuss des Eigenbedarfs kommen soll — dann einzieht, dann sieht es sehr schlecht aus, denn ein realisierter Eigenbedarf ist nun mal ein sehr starkes Indiz.
Wenn man aber nicht auszieht, wird anhand der Begründungen geprüft, ob der behauptete Eigenbedarf nachvollziehbar ist. Ich behaupte mal, dass wir den Prozess nicht verloren hätten, wenn wir diese Strategie gefahren wären.
Update Juni 2023
Über meine Anzeige wegen unrichtiger Angaben im Verfahren wurde inzwischen entschieden. Wahrheitswidrig hatte der Vermieter behaupten lassen, seine Mutter könne nach der Unterbringung des Stiefvaters in einem Pflegeheim von diesem nicht mehr besucht werden, weil sie sofort in eine kleinere und für solche Besuche ungeeignete Wohnung umgezogen sei. Tatsächlich hatte sie das Haus aber noch etwa anderthalb Jahre allein bewohnt und trotzdem keinen Besuch ihres Mannes mehr zugelassen.
Das war auch nicht strittig, hatte aber für den Vermieter keine Konsequenzen, weil mir dadurch kein finanzieller Schaden entstanden ist.
Bisher bin ich immer davon ausgegangen, dass man vor Gericht die Wahrheit sagen muss. Stellt sich heraus: das stimmt so nicht.
Kein Kommentar, Euer Ehren.